Keine erhöhte Verkehrssicherungspflicht bei gesunden Bäumen mit erhöhtem Astbruch-Risiko
BGH 6.3.2014, III ZR 352/13
Die nach den einschlägigen straßenrechtlichen Vorschriften verkehrssicherungspflichtige Körperschaft (hier: Gemeinde) muss bei gesunden Straßenbäumen keine besonderen Schutzmaßnahmen ergreifen. Dies gilt auch dann, wenn bei diesen – wie z.B. bei der Pappel oder auch bei anderen Weichhölzern – ein erhöhtes Risiko besteht, dass im gesunden Zustand Äste abbrechen und Schäden verursacht werden können.
Der Sachverhalt: Der Kläger wohnt in Suhl in einem Mietshaus. Vor dem Wohnblock befinden sich auf beiden Seiten der Straße öffentliche Parkplätze, die auch von den Anwohnern genutzt werden. An die Parkplätze grenzt ein der beklagten Stadt gehörender Grünstreifen, auf dem im Jahre 2011 einige etwa 50-60 Jahre alte Pappeln standen.
Der Kläger stellte in den Abendstunden des 12.6.2011 seinen Pkw auf einem der Parkplätze in der Nähe der Pappeln ab. Am 13.6.2011 stellte er morgens Schäden an seinem Fahrzeug fest; von einer der Pappeln war ein grün belaubter Ast auf das Auto gefallen. Der Kläger hat die beklagte Stadt auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen.
Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers von einem Drittel dem Grunde nach statt. Auf die Revision der beklagten Stadt hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des LG zurück.
Die Gründe: Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz.
Die Straßenverkehrssicherungspflicht einer Gemeinde erstreckt sich grundsätzlich auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume. Die Behörden genügen ihrer diesbezüglichen Sicherungs- und Überwachungspflicht, wenn sie – außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse – eine eingehende Untersuchung der Bäume dann vornehmen, wenn besondere Umstände sie angezeigt erscheinen lassen. Solche Umstände sind etwa das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung, sein statischer Aufbau oder ähnliches.
Ihre diesbezüglichen Pflichten hat die Beklagte, die Baumkontrollen durchgeführt hat, nicht verletzt. Die streitgegenständliche Pappel und der den Schaden verursachende Ast waren vor dem Schadensfall gesund. Allein der Umstand, dass bei manchen Baumarten ein erhöhtes Risiko besteht, dass auch im gesunden Zustand Äste abbrechen, führt nicht dazu, dass diese Bäume als im Verkehrsinteresse grundsätzlich zu beseitigende Gefahrenquellen eingestuft werden müssten und der Verkehrssicherungspflichtige weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen hat. Ein natürlicher Astbruch, für den vorher keine besonderen Anzeichen bestanden haben, gehört auch bei hierfür anfälligeren Baumarten grundsätzlich zu den naturgebundenen und daher hinzunehmenden Lebensrisiken. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht.
Die Verkehrssicherungspflicht verlangt es nicht, gesunde, nur naturbedingt vergleichsweise bruchgefährdetere Baumarten an Straßen oder Parkplätzen zu beseitigen oder zumindest sämtliche in den öffentlichen Verkehrsraum hineinragenden Baumteile abzuschneiden. Gehören damit aber die Folgen eines natürlichen Astabbruchs grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko, bedarf es auch keiner sonstigen Maßnahmen, wie der Absperrung des Luftraums unter Pappeln oder der Aufstellung von Warnschildern. Dies würde die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht überspannen.
Quelle: BGH PM Nr. 44 vom 7.3.2014