BGH v. 7.7.2020 – VI ZR 308/19
Zur deliktischen (Mit-)Haftung eines Sachverständigen für einen auf einer mangelhaften Reparatur beruhenden Schaden
Schaltet sich ein bei dem Versicherer des Schädigers angestellter KfZ-Sachverständiger unter Inanspruchnahme seiner Sachkunde zum Nachteil des Geschädigten in die Reparaturleistung der von diesem mit der Schadensbehebung beauftragten Werkstatt ein, kann dies seine deliktische (Mit-)Haftung für einen auf der mangelhaften Reparatur beruhenden weiteren Schaden begründen.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz materiellen Schadens nach einer mangelhaften Fahrzeugreparatur in Anspruch. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw. Am 6.2.2017 ließ sie an einer Tankstelle einen „Tankwartcheck“ durchführen. Der Mitarbeiter der Tankstelle schraubte den Deckel des Kühlwasserausgleichbehälters nicht wieder auf. Hierdurch entstand bei einer Fahrt am 11.2.2017 ein Schaden am Zylinderkopf des Motors, der von der Betriebshaftpflichtversicherung der Tankstelle, der Z-Versicherung, abgedeckt war. Der Pkw wurde zwecks Prüfung und Durchführung der Beseitigung des Motorschadens zur Werkstatt des früheren Beklagten zu 1) (Werkunternehmer) geschleppt.
Die Z-Versicherung zog den Beklagten, einen bei ihr angestellten Kfz- Sachverständigen, hinzu. Der Werkunternehmer vereinbarte mit dem Beklagten, dass zunächst der Zylinderkopf entfernt werden solle, um das Ausmaß des Schadens feststellen zu können. Der Beklagte stellte fest, dass neben den Arbeiten am Zylinderkopf auch der Zahnriemen zu wechseln sei. Während der Begutachtung wies der Werkunternehmer den Beklagten darauf hin, dass nicht nur der Zahnriemen gewechselt werden müsse, sondern auch die Zusatzriemen, die die Nebenaggregate antreiben. Der Beklagte erklärte, dies sei unnötig und würde lediglich die Kosten in die Höhe treiben. Nach Beauftragung durch die Klägerin führte der Werkunternehmer die Reparatur des Pkw nach den Vorgaben des Beklagten wider besseres Wissen durch. Bei einer Fahrt mit dem Pkw am 6.3.2017 entstand an diesem ein wirtschaftlicher Totalschaden. Der Schaden beruhte darauf, dass der Werkunternehmer zwar Zylinderkopf und Zahnriemen repariert, nicht jedoch auch die Zusatzantriebsriemen ausgetauscht hatte.
Das AG gab der Klage auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands sowie auf Nutzungsausfall gegen die als Gesamtschuldner in Anspruch genommenen damals zwei Beklagten – hinsichtlich des Werkunternehmers rechtskräftig – statt. Die Berufung des Beklagten wies das LG nach zwischenzeitlicher Erfüllung der Klageforderung durch den Werkunternehmer mit der Maßgabe zurück, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das LG hat frei von Rechtsfehlern einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB bejaht.
Hinsichtlich der schädigenden Handlung hat das LG zutreffend auf die Aussage des Beklagten gegenüber dem Werkunternehmer abgestellt, die Erneuerung der Zusatzantriebsriemen sei überflüssig und treibe unnötig die Kosten in die Höhe. Mit dieser Erklärung hat der Beklagte das Unterbleiben einer ordnungsgemäßen Reparatur veranlasst, weil der Werkunternehmer die Reparatur nach den Vorgaben des Beklagten durchgeführt hat. Dies hat in der Folge zu dem Eintritt des der Klageforderung zugrundeliegenden (zweiten) Motorschadens an dem Pkw und damit äquivalent und entgegen der Auffassung der Revision auch adäquat kausal zu einer Verletzung des Eigentums der Klägerin geführt.
Der notwendige haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang wurde nicht durch ein vorsätzliches Dazwischentreten des Werkunternehmers unterbrochen. Allerdings kann, wenn ein Schaden zwar bei rein naturwissenschaftlicher Betrachtung mit der Handlung des Schädigers in einem kausalen Zusammenhang steht, dieser Schaden jedoch entscheidend durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten einer anderen Person ausgelöst worden ist, die Grenze überschritten sein, bis zu der dem Erstschädiger der Zweiteingriff und dessen Auswirkungen als Folgeschaden seines Verhaltens zugerechnet werden können. Insoweit ist eine wertende Betrachtung des Einzelfalls geboten.
Hat sich aus dieser Sicht im Zweiteingriff nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht, war dieses Risiko vielmehr schon gänzlich abgeklungen und besteht deshalb zwischen beiden Eingriffen bei wertender Betrachtung nur ein „äußerlicher“, gleichsam „zufälliger“ Zusammenhang, dann kann vom Erstschädiger billigerweise nicht verlangt werden, dem Geschädigten auch für die Folgen des Zweiteingriffs einstehen zu müssen. So liegt der Fall hier indes nicht. Der Beklagte hat die Entscheidung des Werkunternehmers, auf den Austausch auch der Zusatzantriebsriemen zu verzichten, mit seiner Erklärung gerade intendiert; damit hat sich die besondere Gefahr verwirklicht, die er durch die von ihm gesetzte erste Ursache geschaffen hat. Dabei kam es nicht darauf an, ob sich der Werkunternehmer, wie vom LG angenommen, durch die Erklärung des Beklagten zu seiner Entscheidung herausgefordert fühlen durfte.
Die Eigentumsverletzung erfolgte auch widerrechtlich. Allerdings ist die Rechtswidrigkeit bei einer – wie hier vermittels des Werkunternehmers – lediglich mittelbar herbeigeführten Rechtsgutsverletzung nicht schon durch die kausale Herbeiführung des Verletzungserfolges indiziert. Der Schädiger hat vielmehr nur dann für die Schädigung einzustehen, wenn er gegen eine ihm zumindest auch gegenüber dem Geschädigten bestehende Rechts- oder Verkehrssicherungspflicht verstoßen und damit pflichtwidrig gehandelt hat, als er die Erstursache setzte. Dies ist vorliegend bei gebotener wertender Betrachtung der Fall.
Quelle: BGH online