Zur Neuwagen-Eigenschaft eines Vorführwagens
BGH 21.12.2011 I ZR 190/10
Die Verpflichtung, in der Werbung für Neuwagen Angaben zum Kraftstoffverbrauch des angebotenen Fahrzeugs zu machen, kann auch für Vorführwagen gelten. Entscheidend für die Neuwagen-Eigenschaft sind objektivierbare Umstände (hier: Kilometerleistung), aus denen sich ergibt, dass das betreffende Fahrzeug alsbald verkauft werden soll, ohne dass damit eine kurzfristige Zwischennutzung im Betrieb des Händlers – etwa als Vorführwagen – ausgeschlossen wäre.
Der Sachverhalt:
Die Beklagte bot am 20.4.2009 auf einer Internet-Verkaufsplattform ein Fahrzeug an, das u.a. wie folgt beschrieben war: „Vorführfahrzeug, EZ 3/2009, 500 km“. Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen, wie sie § 1 der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) für die Werbung für „neue Personenkraftwagen“ vorsieht, enthielt die Anzeige nicht.
Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb, sieht hierin einen Verstoß gegen die in § 1 Pkw-EnVKV geregelte Informationspflicht und gleichzeitig einen Verstoß gegen das UWG. Er hat die Beklagte daher auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Das LG gab der Klage statt. Das OLG wies sie mit der Begründung ab, bei dem angebotenen Fahrzeug habe es sich nicht um einen Neuwagen gehandelt, weil es bereits als Vorführwagen im Straßenverkehr genutzt worden sei und auch schon eine Laufleistung von 500 km aufgewiesen habe. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung der Beklagten zurück.
Die Gründe:
Die in Rede stehende Verordnung, mit der eine Richtlinie der EU umgesetzt worden ist, enthält in § 2 eine eigenständige Definition des Begriffs des neuen Personenkraftwagens und fasst darunter alle „Kraftfahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden“. Aus diesem Grund kann nicht auf den im nationalen Recht entwickelten Begriff des Neuwagens zurückgegriffen werden, den der BGH im Kaufrecht bei der Frage der zugesicherten Eigenschaft oder im Wettbewerbsrecht bei der Frage der Irreführung zugrunde legt.
Die gesetzliche Definition stellt an sich auf die Motivlage bei der Anschaffung des Fahrzeugs ab. Dabei kommt es indessen nicht auf die konkreten Vorstellungen an, die sich der Händler beim Erwerb des Fahrzeugs macht und die ohnehin kaum ermittelt werden könnten. Entscheidend sind vielmehr objektivierbare Umstände, aus denen sich ergibt, dass das betreffende Fahrzeug alsbald verkauft werden soll, ohne dass damit eine kurzfristige Zwischennutzung im Betrieb des Händlers – etwa als Vorführwagen – ausgeschlossen wäre.
Als objektiven Umstand kann auf die Kilometerleistung abgestellt werden: Bietet ein Händler ein Fahrzeug mit einer geringen Kilometerleistung (bis 1.000 km) an, ist davon auszugehen, dass er dieses Fahrzeugs zum Zwecke des Weiterverkaufs erworben hat. Liegt die Kilometerleistung des angebotenen Fahrzeugs darüber, spricht dies dafür, dass der Händler das Fahrzeug (auch) zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs – nämlich für die nicht ganz unerhebliche Eigennutzung – erworben hat.