BGH 21.11.2012, IV ZR 97/11
Verstoß gegen § 142 Abs. 2 StGB bedeutet nicht immer eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Fahrzeugversicherer
Ein Verstoß gegen § 142 Abs. 2 StGB beinhaltet nicht in jedem Falle zugleich eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Fahrzeugversicherer, die zu dessen Leistungsfreiheit führt. Es genügt, wenn der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem eine nachträgliche Information des Geschädigten noch „unverzüglich“ i.S.v. § 142 Abs. 2 StGB gewesen wäre, zwar nicht den Geschädigten, aber unmittelbar seinen Versicherer oder dessen Agenten informiert hat.
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte mit seinem bei der Beklagten kaskoversicherten Pkw gegen 1 Uhr morgens einen Unfall. Nach seiner Behauptung musste er auf der Fahrbahn stehenden Rehen ausweichen und kam daraufhin in einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn ab. Er prallte mit dem Fahrzeugheck gegen einen Baum, der ebenso wie sein Fahrzeug beschädigt wurde. Nach dem Unfall verständigte er den ADAC, der das Fahrzeug abschleppte, und ließ sich an der Unfallstelle abholen. Die Polizei und das geschädigte Straßenbauamt verständigte er zunächst nicht. Ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde eingestellt.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Regulierung des Schadens an seinem Fahrzeug. Er behauptet, ihr den Schaden unverzüglich angezeigt zu haben. Die Beklagte lehnte die Regulierung wegen der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten (hier E.1.3. AKB 2008) durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ab. Mit seiner Klage verlangt der Kläger den Ersatz des auf rund 27.000 € bezifferten Schadens.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass die Aufklärungsobliegenheit stets verletzt sei, wenn der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht werde, und dass dies auch in den Fällen des § 142 Abs. 2 StGB gelte (nicht unverzügliche Ermöglichung nachträglicher Feststellungen nach zunächst erlaubtem Entfernen vom Unfallort), gegen den der Kläger verstoßen habe.
Dem Aufklärungsinteresse des Versicherers ist trotz eines Verstoßes gegen § 142 Abs. 2 StGB dann in ausreichender Weise genügt, wenn der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem eine nachträgliche Information des Geschädigten noch „unverzüglich“ i.S.v. § 142 Abs. 2 StGB gewesen wäre und eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift vermieden hätte, zwar nicht den Geschädigten, aber unmittelbar seinen Versicherer oder dessen Agenten informiert hat.
Genau dies hatte der Kläger aber behauptet. Das Urteil des OLG war daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das OLG zurückzuverweisen.
Quelle: BGH PM Nr. 195 vom 21.11.2012