Grundstücksausfahrt mit anschließendem Linksabbiegen kann besonders gefährliches Fahrmanöver sein
OLG Hamm 7.3.2014, 9 U 210/13
Wer trotz eines herannahenden Fahrzeugs mit seinem Fahrzeug aus einer Grundstücksausfahrt auf die Fahrbahn einbiegt, um unmittelbar danach links abzubiegen, vollzieht ein besonders gefährliches Fahrmanöver. Auch nach Beendigung der Grundstücksauffahrt kann er daher für einen Zusammenstoß mit dem herannahenden und zum Überholen ansetzenden Fahrzeug allein verantwortlich sein.
Der Sachverhalt:
Im März 2012 bog die Beklagte mit ihrem Pkw aus einer Grundstücksausfahrt nach links (stadteinwärts) auf die Rönkhauser Straße in Arnsberg ab, um nach etwa 14 Metern erneut nach links in die Straße „Am Wehr“ abzubiegen. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich, ebenfalls stadteinwärts fahrend, der Pkw des Klägers auf der bevorrechtigten Rönkhauser Straße.
Beide Fahrzeuge kollidierten im Einmündungsbereich der Straße „Am Wehr“, nachdem das klägerische Fahrzeug zum Überholen des Fahrzeugs der Beklagten angesetzt hatte. Unter Hinweis auf den aus seiner Sicht allein von der Beklagten verursachten Unfall verlangt der Kläger seinen Gesamtschaden von rd. 6.500 € ersetzt.
Das LG gab der Klage – bei einer Schadensverteilung von 75 zu 25 Prozent zu Lasten der Beklagten – teilweise statt. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage vollumfänglich statt.
Die Gründe:
Die Beklagte haftet alleine für den Verkehrsunfall. Ein Verschulden des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs an dem Zusammenstoß war nicht festzustellen. Demgegenüber liegt ein schwerwiegendes Verschulden der Beklagten vor, das ihre alleinige Haftung für den Verkehrsunfall begründe.
Die Beklagte hat die beim Einfahren aus einer Grundstücksausfahrt auf die Fahrbahn gem. § 10 StVO geltenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen verletzt. Diese wirken bei dem von ihr vollzogenen Fahrmanöver über den eigentlichen Vorgang des Einbiegens auf die Fahrbahn hinaus fort. Ihr Fahrmanöver war anhaltend gefährlich, weil die Beklagte – obwohl sie den herannahenden Pkw des Klägers bemerkte – mit geringer Geschwindigkeit in die Fahrbahn einbog, um unmittelbar danach nach links abzubiegen. Dabei war ihre Abbiegeabsicht für den nachfolgenden Verkehr nicht ohne weiteres zu erkennen.
Ihre verlangsamte Fahrweise konnte auch auf eine gemächliche Einordnung in den fließenden Verkehr hinweisen, das für den nachfolgenden Verkehr rechtzeitig erkennbare Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers hat sie nicht dargetan. Deswegen hätte sie ihre Einfahrt auf die Fahrbahn bis zum Passieren des klägerischen Fahrzeugs zurückstellen oder sich besonders darüber vergewissern müssen, dass ihre Absicht links abzubiegen erkannt wird. Dies hat sie jedoch versäumt und es zudem unterlassen, durch die zweite Rückschau unmittelbar vor Beginn des Abbiegevorganges noch einmal auf den rückwärtigen Verkehr zu achten. Dieses erhebliche Verschulden begründet die alleinige Verantwortlichkeit der Beklagten für den Unfall.
Quelle: OLG Hamm PM vom 5.5.2014